19. März 2019



CINDARELLA VS REALITY


12. Jänner. Ein Superlike. Brandon heißt er, sieht sehr gut aus, offensichtlich nicht von hier. Ich swipe mich durch sein Instagram und finde ein Foto „Best Actor-Nominee“. Ein Schauspieler also, interessant. Später werde ich noch erfahren wie gut der liebe Brandon wirklich spielen kann.

Na dann nehm ich es eben an, das Superlike und warte gespannt was passiert. Irgendwann entschließe ich mich doch als Erste zu schreiben, weil ich mir in diesem Moment nicht vorstellen kann, warum ein anscheinend berühmter Mensch mir ein Superlike gibt. Und genau das ist dann auch meine erste Nachricht an ihn, das Spiel beginnt. Er antwortet sehr kurz, zeigt aber Interesse. Er dreht nichtweit von hier, ich war nur einen Sprung da und bin schon am Heimweg, irgendwann kommt keine Antwort mehr. Diese Situation wird nochmal vorkommen, mit keinem schönen Ende.

Wie berühmt ist er denn, der Gute? Google hilft und siehe da, ein Power Ranger! Und auch wenn ich mich im Nachhinein ein wenig dafür schäme, der Gedanke mit einem Power Ranger zu schlafen ... damn it, ich wollte es unbedingt. Ich schrieb ihm, er fragte nach meinem Snapchat Namen, er bekam ihn und ich, ich bekam ein DickPic... Das wäre dann der Moment, wo eine halbwegs intelligente Frau das Gespräch beendet. Aber ich war so fixiert darauf erzählen zu können, ich hätte einen Promi gevögelt, dass ich mitgemacht hab. Ich kann mich nicht mehr genau erinnern was er von mir zurückbekam, aber es war mit Sicherheit etwas Anzügliches.

15. März, Nachmittag. Ich fahre in seine Stadt zu einem Konzert und melde mich bei ihm. Ab 23Uhr wäre ich Verfügbar. Er gibt mir seine Adresse, ich fahre hin. Als ich die 51 drücke um anzuläuten steht eine kleine, dicke Frau vor mir und deutet, ich soll die Tür öffnen. Ich gehe zum Lift, will die 5 drücken, sie meint in gebrochenem Englisch man müsse die 4 drücken und dann die Stiegen hochgehen. Wird wohl hier Wohnen die Dame. Beim Aussteigen überholt sie mich und läuft die Stufen hoch, ich gehe vorsichtig nach und stehe plötzlich in einer wunderschönen Dachgeschosswohnung. Mit einem nackten Brandon. Wobei das so nicht ganz stimmt, denn er trägt Socken, Sneaker und ein LA Cap. Die kleine, dicke Frau neben ihm und zählt Geld. Die Dealerin also. Und sie wirkt garnicht überrascht, dass er nackt ist. Das wäre ein erneuter Moment, wo eine halbwegs intelligente Frau sich umdreht und geht. Ich grinse, weil solche Situationen absolut meinem Humor entsprechen. Diese Entscheidung werde ich bereuen.
Die Dealerin sieht mich an. Ich frage ob Brandon ihrer Meinung nach gefährlich ist. Sie fragt mich ob ich gebucht bin. Über „bösemädchen.hu“. Der dritte Moment, wo eine halbwegs intelligente Frau das Weite sucht. Ich trage Nike Sneaker, eine schwarze Strumpfhose, ein knielanges, enges Kleid, eine legere schwarze Weste drüber, meinen weiß/schwarzen Schal und einen langen, schwarzen Mantel. Ich frag mich seither noch immer, welche Nutte denn so zur Arbeit gehen würde...

Wir reden, er bietet mir eine Line an, ich nehme sie. Warum er denn nackt ist will ich wissen. Er ist nicht nackt, er trägt doch Schuhe, sagt er grinsend und bringt mir ein Bier. Heute Abend ist seine Wrap-Party, er wird in 20 Minuten gehen, aber ich kann gerne in der Wohnung bleiben. Ob ich mitkommen will fragt er nicht. Aber dafür ich, ob ich mit darf. Wäre nur für die Crew, da kann er nicht mit mir aufkreuzen. Die nächste Line, das nächste Bier. Er geht nicht, er fragt. Immer mehr. Mein ganzes Leben will er wissen. Ich frage mich nicht warum, ich erzähle. Es dürfte mittlerweile nach Mitternacht sein und ich würde gerne zur Sache kommen. Ob ich denn seine Dusche benutzen darf, schließlich bin ich ziemlich abgeschwitzt. Er bringt mir Handtuch und Seife. Die oldschool Seife, irgendwie ein sehr süßer Moment. Ich dreh das Wasser auf, bewusst kalt. Er sieht mir zu, kommt aber nicht näher.

Die nächste Line für ihn, ich bitte um eine Cola. Wie hübsch ich bin, so ganz ohne Make up und Klamotten und so interessant. Er will weiter reden. Dass er zu seiner Party gehen wollte, scheint ihn nicht weiter zu interessieren. Wir reden. Ich weiß garnicht mehr über was, weil es so viel ist. Er kommt näher, nimmt mich in den Arm. Sein Herz rast. Er wird nervös, ich wäre der Grund. Ich bin anders als seine Dates bisher. Er fühlt sich mir nahe. Ich starte einen Sexversuch, er wehrt ihn ab und riecht an meinem Haar, küsst mich auf die Stirn. Die nächste Line.

Jasper soll unser Junge heißen. Und in Grenada wird geheiratet. Im Smoking und schwarzen Lackschuhen, wie sonst. Ob meine Familie und Freunden denn so weit fliegen würden – natürlich würden sie! Und ob es denn Rassisten unter ihnen gibt – nein gibt es nicht. Ich soll in meinen Kalender schauen welche Aprilwoche mir passt. Denn er fliegt am Montag wieder nach Hause. Die Serie, für die er gedreht hat ist abgedreht. LA wird mir gefallen, eine Woche oder am besten zwei, er bezahlt das Ticket. Im Mai kommt dann er zu mir nach Hause. Und im Juni feiere ich meinen Geburtstag dann bei ihm in LA.

Wenn er im September wiederkommt, sofern seine Serie weitergeht, bekomme ich den Posten als Set Fotografin. Die Dachgeschosswohnung hat zwei Schlafzimmer, die Miete zahlt die Produktion, wir könnten so auch hier immer zusammensein. Aber auch in LA wird er mir ein paar Leute vorstellen und mir zu helfen. Ich bin wie gemacht für Amerika, hier werde ich doch nur verkümmern. Wir machen das schon. Wie man erfolgreich wird? Man muss härter arbeiten als alle anderen, mit Talent alleine kommt man nicht weit. Mit Stone Sour auf Tour gehen, das wäre mein Traum. Das wollen viele, sagt er und küsst mich.

6 Uhr früh, ich muss dringend schlafen. Ob er denn nicht mit mir ins Schlafzimmer mitkommen will. Er will. Wir liegen eng aneinander und ich fühle mich wie der glücklichste Mensch der Welt. Cindarella Story. Er nennt mich Princess und sagt, er gibt mir alles was ich will. Hollywood lässt grüßen. Wir haben Sex, unglaublich tollen, intensiven Sex. Ich kann garnicht aufhören ihn anzugreifen und zu küssen. Er lächelt zufrieden lässt mich nicht los. Ich habe meinen Traummann gefunden. Das Leben ist schön. Mit dem Schlafen will es nicht klappen. Es folgt die nächste Unterhaltung.

Er steht auf, geht zu einem Tisch und öffnet die Lade. Ein Bündel Geld. Landeswährung. Ob mich das eine Weile über Wasser hält will er wissen. Und in dem Moment verstehe ich nicht ganz was da passiert. Er hätte im Auto gelebt und weiß wie es sich anfühlt wenn man nicht weiter weiß. Jeder braucht ab und an Hilfe und da er nach Hause fliegt, braucht er keine Landeswährung mehr. 1300Euro. Einfach so. Ich soll es ja nicht liegen lassen, er braucht es nicht. Mir fließen die Tränen über das Gesicht. Das alles ist zu schön um wahr zu sein.

Wann ich denn los muss fragt er und lächelt mich mit einer Liebe an, dass ich ihm vollkommen verfalle. Um halb 11 spätestens. Aber ich komme am Abend wieder, wenn er will. Oder am Tag darauf. Er will. Wir liegen noch ein wenig da und genießen. Er will es mit mir versuchen. Das klappt schon, wir sind Seelenverwandte, das darf man nicht einfach gehen lassen, sagt er. Ich soll die Chats mit den Männern, die ich am Handy habe, bitte löschen. Ich mache es. Ob ich denn aushalten kann, nicht mit anderen Männern zu schlafen wenn wir uns nur so selten sehen. Ich werde sauer. Natürlich halte ich das aus! Aber ich dürfte, wenn ich wollte. Ich will nicht.

9:30 Uhr, jetzt muss ich wirklich ein paar Minuten schlafen. Ich liege auf seinem Schoß, seine Hand auf meinem Hintern. Ich schlafe ein. 30 Minuten später läutet der Wecker. Ob ich denn schon wirklich gehen müsse. Ja ich muss. Habe zuhause wichtiges zu tun. Aber ich komme Abends wieder. Lieber morgen, sagt er. Ich soll mich ausschlafen. Wie nett von ihm.  Ich soll eine Line nehmen, damit ich beim Fahren konzentriert bin. Ich lehne ab. Jede Stunde muss ich mich melden, bis ich zuhause bin. Denn er sorgt sich um mich. Nie war ich glücklicher. Er macht mir noch schnell einen Kaffee, sicher ist sicher. Ob ich denn nicht mit dem Zug fahren könnte und dann einfach morgen mit dem Auto heimfahre. Nein das geht nicht. Bei uns fahren doch keine Züge. Wir umarmen uns. Er küsst mich. Ob er es denn wirklich ernst meint mit mir. Ja natürlich, wieso denn auch nicht? Ob nicht nur Alkohol und Kokain aus ihm spricht. Nein, tut es nicht, versprochen. Falls doch, soll er es mir sagen. Er lächelt. See you later, princess.

17. März, 8Uhr. Hey, so I thought long and hard about it and I really don´t want to so long distance. Ich rufe an, ich will das nicht per WhatsApp klären. Er hebt nicht ab. Also doch nur die Drogen, das tut weh. I meant what I said. But I know for me long distance is just something I don´t want to do at my age. Just want to be hoest with myself, and you. Ob wir denn nicht wie erwachsene darüber reden könnten. Keine Reaktion. Ob wir uns wenigstens angemessen verabschieden könnten. Keine Reaktion.

Mir geht es nicht gut. Ich beginne zu weinen. Ich hatte ihm jedes Wort geglaubt. Das schreibe ich ihm dann auch und dass ich sein Geld nicht haben will und es ihm zurückgeben werde. I´m sorry. It sucks I know. I think you are so great but I can´t do it. Ob er mir denn die Tür öffnet, wenn ich heute davor stehe. Keine Reaktion. Ob er denn einen Beweis braucht, dass ich mich wirklich damit auseinandergesetzt habe. Dann buch ich mir einen Flug und komme mit. That´s impossible. Wieso denn? It´s just a bad circumstance. I still want you in my life. I really do care about you. Ich frage erneut, ob er mir die Tür öffnen wird. I won´t be home for most of the day. Er soll kein Arschloch sein, das habe ich wirklich nicht verdient.

Wut, Entschlossenheit, Panik. Eine Mischung die gefährlich ist. Ich sitze im Auto auf dem Weg zu ihm. Er wird mir schon öffnen, er ist doch kein Unmensch. Wir sind erwachsen. Wir werden das klären. Und wir werden uns angemessen verabschieden. Alles gut. Aber ein wenig sauer bin ich schon, dass es mich anlügt nicht zuhause zu sein. Wir hatten den Tag doch gemeinsam verplant.

Ich läute bei der 51. Keine Reaktion. Mir wird schlecht. Ein Herr kommt aus der Tür, ich stoppe die Tür und gehe ins Stiegenhaus. Im Lift wird mir noch schlechter. Macht er denn jetzt wirklich nicht auf? Der letzte Stock ist mit einer Gittertür verschlossen, ich komme nicht weiter und läute. Brandons Nachbar kommt raus und öffnet mir ein wenig misstrauisch. Ich klopfe an seiner Wohnungstür. Keine Reaktion. Ich rufe an. Keine Reaktion. Offensichtlich ist er aber wirklich nicht zuhause. Ich mache ein Foto und schick es ihm. Damit er weiß, dass ich hier bin. Ich fahre mit dem Lift runter und langsam dämmert mir, dass ich ein Idiot bin.

Auf der Parkbank gegenüber der Eingangstür sitzend denke ich über jedes seiner Worte nach. Kann man denn wirklich so gut lügen? Einem so viel vorspielen? Ich checke meine Nachrichten. Zwei blaue Haken. Er weiß, dass ich hier bin. Nur interessiert es ihn nicht. Schauspieler! Natürlich kann er mir das blaue vom Himmel runterlügen, das ist doch sein Job. Ich schicke ihm eine letzte Nachricht, eine Sprachnachricht: I got it, I´m leaving. Congrats, you are really a fuckin good actor. Have a safe flight, good bye. Zwei blaue Haken. Keine Reaktion.






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